Kreativität, Erfahrungen und die Strategie des Gegenteils
Kreativität entwickelt sich immer mehr zum Zauberwort innerhalb der Blogosphäre. Und bei den Suchmaschinenoptimierern sowieso. Organischer Linkaufbau, Linkbait-Strategien, Guerilla-Marketing, user-generated Content… – alles basiert auf kreativen Ideen. Aber wie ist das mit der Kreativität – wo kommt sie her? Was kann man tun, um die eigene Kreativität zu fördern? Dieser Spontan-Artikel basiert auf zwei Seiten, die ich mir eben angesehen habe, und die durch einen Zufall einfach perfekt zusammenpassen. John Cleese und Marco Janck sind die Protagonisten.
Beginne ich mit John Cleese. Der Urvater des gepflegten britischen Humors dürfte den meisten als Mitbegründer von „Monty Python s Flying Circus“ bekannt sein. Ich habe dank Twitter-Gewitter folgendes Video bei youTube gefunden. Es ist schon über ein Jahr alt und zeigt den mittlerweile zum weisen Greisen gealterten Cleese beim Vortrag an einer belgischen (?) Universität. Thema „Kreativität„:
Ich kann und will gar nicht im Einzelnen wiedergeben, was John da mit dem Duktus des professoralen Komikers von sich gibt. Es ist brillant. Hier nur ein paar Stichworte:
- „Probleme im Schlaf lösen“
- „Das Unterbewusstsein arbeiten lassen“
- „Noch einmal von vorn anfangen“
- „Kreative Freiräume schaffen“
- „Sich räumlich und zeitlich abgrenzen und mental zurückziehen“
Es ist ein tolles Video. Allerdings endet es zu früh. Denn es fehlt aus meiner Sicht etwas ganz Entscheidendes! Quasi der Schlüssel zum Erfolg: Kreativität basiert nach meiner Überzeugung (und Erfahrung) auf dem „Machen“. „Es einfach zu tun“ – auch wenn es bei realistischer Betrachtung völlig belanglos oder absurd zu sein scheint. Manchmal widersprechen kreative Ideen sogar den persönlichen Interessen. Man sollte diese Ideen dennoch umsetzen. Denn der Witz ist, dass Kreativität, die per se immer ein mentaler Prozess ist, sich dann erst weiterentwickeln lässt, wenn sie zu einer konkreten Erfahrung geworden ist. Man kann im Kopf fast alles machen, nur eben nicht Erfahrungen. Aber eben diese sind es, die den kreativen Prozess am Laufen halten und voranbringen. Bei mir sind es manchmal sogar weit zurückliegende (und thematisch absolut irrelevante) Erfahrungen, die einen entscheidenden Kick geben.
Kurzum: Kreativität ist ein mentaler Prozess, der durch gemachte Erfahrungen vorankommt. Erfahrungen basieren aber auf „Einfach mal machen!“
Negative Keywordsets – Erfahrungen mit dem Gegenteil
Nun zum zweiten Teil: Marco schreibt in seinem Artikel „Negative Kreativ-Keywordssets für SEO erstellen“ über einen zunächst ganz absurden SEO-Ansatz. Üblicherweise betreibt ein Suchmaschinenoptimierer eine keyword-Recherche, um „lohnende“ Begriffe und Phrasen zu ermitteln. Und diese Keywords werden dann eben für Google optimiert. Soweit – so banal. Denn so machen es alle. Kreativität ist was anderes. Marco zeigt einen genialen Weg auf. Beim Lesen seines Artikels habe ich mich an (Kunst-) Studienzeiten erinnert, als ich über diese Strategie in einem völlig anderen Kontext nachgedacht habe: es geht um das „Gegenteil“.
Ein „negatives Keyword-Set“ bildet die (negativ besetzten) Gegenstücke zu den eigentlich lukrativen Keywords ab. Marco nennt folgende Beispiele:
- Flug – Flugzeugabsturz
- Schiff – Untergang
- Reise – Verspätung
- Operation – Tod
- Kind – Krankheit
- Essen – Lebensmittelvergiftung
Nun geht Marco her und sagt: OK, die Menschen interessieren sich immer auch für das, was schief gehen könnte. Es macht also Sinn, dieses Suchpotential zu nutzen. Vor allem auch deshalb, weil es (noch) kaum ein anderer macht. Ich habe das noch nie so bedacht, und ob es funktioniert bzw. ob es SEO-technisch erfolgreich ist, weiß ich nicht. Aber das ist auch gar nicht entscheidend. Bemerkenswert finde ich den Ansatz deshalb, weil er ein Musterbeispiel für einen kreativen Gedankenprozess ist – die Strategie des Gegenteils.
Voraus-sein dank Kreativität
Und wie oben gesagt: nur wer das oder ähnlich „ungewöhnliche“ Ansätze mal probiert, wird nach meiner Überzeugung SEO-technisch wirklich vorankommen. Denn die stetig wachsende Konkurrenz ist in aller Regel eben erst mal eines: unkreativ. Die meisten setzen doch eh nur das um, was sie – zugegeben meist erfolgreich – an Wissen aus Blogs, Foren oder im Studium zusammengetragen hat. Im Kontext der Suchmaschinenoptimierung wird Kreativität immer wichtiger, weil man den anderen bei zunehmender Masse stets einen Schritt voraus sein muss, um in der Masse nicht unter zu gehen.
Im vergangenen Jahr hatte ich noch über „Inspiration“ schwadroniert (siehe „Inspiration à la Mediadonis – Gedanken zum SEO-Beitrag des Jahres“ – inzwischen denke ich: Inspiration allein reicht nicht aus. Denn die für Kreativität entscheidende Erfahrung macht nur der, der die Inspirationsquelle geschaffen hat. Anders gesagt: Kreativität basiert auf der „Erfahrung des Handels„, Inspiration ist nur die „Erfahrung durch Rezeption„. Vielleicht ist das ein Grund, warum Künstlern so oft die kreative Hoheit überlassen wird: es gehört zu ihrem Beruf, nicht nur Dinge zu ersinnen, sondern sie dann auch zu machen.
In diesem Zusammenhang passt ein Bild von Mark Tansey gut. Es heißt eigentlich „Modern – Postmodern“, aber ich wandele den Titel mal zur Veranschaulichung um in „Inspiration (links) und Kreativität (rechts)“. Hoffe, es wird deutlich, was ich meine:
Quelle: eagereyes.org
Aber: Kosten, Zeit und rote Wangen
Oder? Wie sieht ihr das? „Einfach mal machen“ kostet ja auch Zeit und Geld – und ist nicht selten peinlich. Weil es vordergründig nichts bringt bzw. scheitert. Trotzdem machen?
9 Gedanken zu „Kreativität, Erfahrungen und die Strategie des Gegenteils“
Hallo, Martin !
Danke, dass du dieses Thema aufgegriffen hast. Du als Künstler hast sicherlich auch ne Menge kreative Ansätze. Toll. Um so mehr ich mit total unkreativen Programmieren zusammensitzen muss, um so mehr weiss ich wie wichtig diese Kreativkonzepte auch im SEO sind bzw.sein können.
@SEOnaut: ich glaube, dass Programmieren nicht per se unkreativ ist. Im Gegenteil – da steckt viel Potential drin, wenn man nicht ständig mit der Peitsche angetrieben wird.
Ich denke, man kan in jedem Bereich kreativ sein. Es gibt aber offenbar häufig so eine Art Barriere: anstatt den eigenen Idee zu vertrauen, folgt man nur blindlinks dem Mainstream. Ich denke, im Bereich SEO geht noch viel, viel mehr…
Morgen Martin,
danke für diesen Beitrag, und natürlich auch an Marco! Das war das erfrischendste was ich in den letzten Wochen gelesen hab. Als Künstler weißt du ja wovon du sprichst wenn es um Kreativität geht. Hab mich letztens mit einer Künstlerin über Kreativität unterhalten und die hat gesagt: Kreativität heisst „einfach mal aus den normalen Bahnen ausbrechen.“ Genau daran musste ich bei euren Posts denken, passt sehr gut.
Gruß,
Marcel
Da muß ich mal schnell aus einem Kommentar zitieren:
:-)
Ein interessanter Gedankenansatz und im Prinzip trifft es ganz gut, was ich mir selbst immer sage: Wer Kreativität erzwingt, der wird kaum kreativ sein. Zumindest bei mir klappt es nicht. Da hilft dann meist nur Hirn aus, nicht drüber nachdenken und – wie du richtig sagst – einfach mal machen.
Viele Ideen habe ich in durch meine Träume gewonnen. Nur sie dann auch umzusetzen, darin liegt das Geheimnis.
Erst einmal danke für den sehr guten erfirschenden und beflügelnden Artikel. Ich bin faszieniert, dass ihr das Thema SEO von einer anderen Seite beleuchtet. Die Sichtweise über die negativen KeywordSets finde ich absolut innovativ – auch wenn ich mir im Moment leider, auch nach zweimaligem lesen des Artikels und nachgrübeln, noch nichts praktisches daraus ziehen kann, um es in der Internet-Seo-Realität umzusetzen bzw. unsere Seo-Techniken zu optimieren, aber zum denken bin ich angeregt und dass reicht mir absolut. Man denkt doch sehr in Schubladen und Schienen, das habt ihr hier auf den Kopf gestellt. Unbezahlbar! Danke!
@Seonaut: Unkreative Programmierer, gibt es so etwas tatsächlich? kaum vorstellbar.
Sehr guter Beitrag. Mir geht es immer so, dass mir die besten Ideen kommen, wenn ich grade an einem bestimmten Thema sehr intensiv sitze. Durch „Brückenverbindungen“ von Gedanken (wie ich sie gerne nenne) komme ich zu neuen Ideen, die eng mit dem grade zu beackernden Thema zu tun haben. Hierbei sind mir schon echt gute Gedankenblitze gekommen, die ich für andere Projekte nutzen konnte. Was mir noch aufgefallen ist: Gute Idee kommen (zumindest bei mir) immer in guter Stimmung. Mit schlechter Laune kommen auch keine Ideen.
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